Doppelte Nutzung auf einen Streich
Die Kombination aus landwirtschaftlicher Bewirtschaftung und Stromerzeugung durch Photovoltaik auf derselben landwirtschaftlich genutzten Fläche bezeichnet man als Agri-Photovoltaik. Die Photovoltaik-Anlagen werden an die landwirtschaftliche Nutzung angepasst, damit die Fläche zwischen und unter den aufgeständerten Solarmodulen weiterhin für die Landwirtschaft nutzbar ist.
Bedeutung: Was ist Agri-Photovoltaik?
Photovoltaik auf der freien Fläche steht häufig in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung. Um die Klimaziele in Deutschland zu erreichen, benötigen wir jedoch große Flächen zur Stromerzeugung mit Sonnenenergie. Dachflächen alleine werden nicht ausreichen. Bisher nicht bebaute Flächen müssen genutzt werden, um schnell großflächige PV-Anlagen bauen zu können.
Zur gleichen Zeit steht die Landwirtschaft vor der Herausforderung, in einem sich rasant verändernden Klima Pflanzen und Böden vor extremen Wetterereignissen zu schützen. Hohe Temperaturen, Trockenheit und Starkregen stellen die Agrarwirtschaft vor neue Probleme.
Die Agrar-Photovoltaik, Agriphotovoltaik oder kurz Agri-PV, verbindet die gleichzeitige landwirtschaftliche Nutzung mit der Stromerzeugung. Sie entschärft den Nutzungskonflikt und ermöglicht somit Anbau und Ernte landwirtschaftlicher Produkte und Solarstrom auf ein- und derselben Fläche. Die Stromerzeugung beansprucht maximal 15 Prozent, sodass eine landwirtschaftliche Nutzung auf mindestens 85 Prozent der Fläche weiterhin möglich ist. Damit kann die Landwirtschaft weiterhin mit GAP-Mitteln (Gemeinsame Agrar-Politik) der EU gefördert werden.
Bei dieser Kombination hat die landwirtschaftliche Nutzung Vorrang, die Stromerzeugung wird an die Bedingungen vor Ort angepasst. Die Aufstellung der Photovoltaik-Module ist variabel, sie werden in unterschiedlichen Höhen schräg oder als eine Art Zaun senkrecht aufgestellt. Teilweise kommen Systeme zum Einsatz, die die Module auf einer horizontalen Achse der Sonne nachführen. In Abhängigkeit von der Montage können die Solarmodule neben ihrer eigentlichen Aufgabe eine Schutzfunktion für die jeweiligen Nutzpflanzen oder das Vieh übernehmen und sie vor Austrocknung, Sonneneinstrahlung und Starkregen schützen.
Diese Arten von Agri-PV gibt es
Die doppelte Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche kann sehr unterschiedliche Formen annehmen.
Aufgeständerte Anlagen in großen Höhen
Bei dieser Variante befinden sich die Solarmodule in einer Höhe von mindestens 2,10 Meter über dem Boden. Die Unterscheidung in den Höhen stammt aus der Spezifikation der DIN SPEC 91434:2021-05, die Anforderungen an die landwirtschaftliche Hauptnutzung bei Agri-Photovoltaik-Anlagen festlegt.
Landwirtschaftliche Nutzung findet unter den Modulen statt. Je nach Art der Landwirtschaft können die Module drei bis sieben Meter über dem Boden errichtet werden. Bei diesen Höhen ist eine Bewirtschaftung der Felder mit den üblichen Geräten und Maschinen weiterhin möglich.
Diese Art der Agriphotovoltaik wird vor allem für den Anbau von Getreide, Obst und Hopfen eingesetzt.
Aufgeständerte Anlagen in mittleren Höhen
Eine ähnliche Art der Agri-PV ist die Aufständerung von Solarmodulen auf einer Höhe von unter 2,1 Metern. Die Unterscheidung zur Photovoltaik-Freiflächenanlage liegt in den größeren Abständen zwischen den Modulreihen und der landwirtschaftlichen Nutzung auf den freien Flächen. Auf den freien Flächen erfolgt eine Nutzung als Weideland für Hühner, Nutzvieh oder eine Nutzung als Mähwiesen für Heu oder Silage.
Bodennahe Anlagen in senkrechter Montage
Eine ganz andere Aufstellung der Solarmodule sind die senkrecht aufgestellten bifazialen Module in großen Abständen von ca. acht Metern. Diese fangen das Sonnenlicht auf beiden Seiten der Module ein und erzeugen, abhängig von ihrer Ausrichtung, in den Morgen- und Abendstunden den meisten Strom.
Zwischen den Modulreihen sind viele Formen der Bewirtschaftung möglich - Weidewirtschaft, extensives Grasland für Heu und Silage, aber auch Ackerfläche.
Vorteil dieser Anlagen ist der Schutz der Vegetation, zum Beispiel durch geringere bodennahe Windgeschwindigkeit, die Bodenerosion und -austrocknung verhindert.
Gewächshaus Anlagen oder geschlossene Systeme
Für den Obst- und Gemüseanbau kann die Agri-PV unterschiedliche Formen annehmen, in offenen Systemen, mit aufgeständerten PV-Anlagen über den Pflanzen oder in geschlossenen Gewächshäusern. Im Zusammenhang mit der Obstproduktion spricht man auch von Fruit Voltaics.
Die Photovoltaik-Anlagen übernehmen bei dieser Variante eine Schutzfunktion für die Pflanzen vor extremen Witterungseinflüssen. Plastikfolien oder Hagelnetze werden überflüssig. Die Pflanzen haben gleichmäßige Wachstumsbedingungen im Vergleich zum offenen Feld. Durch eine geringere Verdunstung verringert sich der Wasserbedarf der Pflanzen.
Moor Photovoltaik Anlagen oder Moor-PV
Bei Moor-PV handelt es sich um Photovoltaikanlagen auf wiedervernässten Moorböden. Mit der Wiedervernässung binden die Böden große Mengen des Treibhausgases CO2, wie es auch intakte Moore können. Allerdings bedeutet dies eine dauerhafte Nutzungsänderung oder sogar ein Nutzungsverzicht. Damit unterscheidet sie sich von anderen Arten der Agri-PV.
Landwirte erhalten eine Förderung für die Errichtung von PV-Anlagen auf wieder vernässten Moorböden, wenn die Flächen zuvor landwirtschaftlich genutzt wurden und außerhalb von Schutzgebieten liegen.
Die Vorteile von Agri-PV
Agri-PV bietet eine Reihe Vorteile:
- Neue Flächen für die Solarenergie ohne Flächenkonflikt
- Zusatznutzen für die Landwirtschaft
- Höhere Flächeneffizienz durch doppelte Nutzung
- Geringere Kosten der Stromerzeugung im Vergleich zu kleinen PV-Dachanlagen
- Diversifizierung des Einkommens aus der Landwirtschaft
- Schutz der Kulturen vor Starkregen und Austrocknung
- Höhere Stromerträge durch die Verringerung der Modultemperatur durch die Vegetation
- Geringere Kosten bei Wegfall von Folientunneln, Hagelschutz, etc.
Nachteile der Kombination aus Photovoltaik und Landwirtschaft
- Höhere Kosten für Photovoltaikanlagen durch Aufständerung
- Höherer Aufwand für Landwirte und geringere landwirtschaftliche Erträge
- Veränderung des Landschaftsbildes bei hoher Aufständerung
- Aufwand für gesellschaftliche Akzeptanz
- Lange Wartezeiten auf Baugenehmigung
Photovoltaik und Landwirtschaft in Deutschland
Das Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme ISE schätzt das technische Potenzial für hoch aufgeständerte Agri-PV in Deutschland auf 1.700 GWp. Weitere 1.200 GWp können durch bodennah montierte Module mit einem weiten Abstand zwischen den Reihen hinzukommen. Weltweit sind derzeit Agri-PV-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 14 GWp installiert.
Zwischen 2011 und 2022 sind fünf Agri-PV Anlagen zu Forschungszwecken in Betrieb gegangen. Diese haben unterschiedliche landwirtschaftliche Nutzung und verwenden verschiedene Technologien zur Stromerzeugung.
In der Modellregion Baden-Württemberg arbeiten aktuell 13 Projektpartner an dem gemeinsamen Ziel, die Technologie der Agri-PV voranzutreiben. In der ersten Phase liegt der Schwerpunkt auf Kern- und Beerenobst und fünf PV-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 1.700 kWp insgesamt.
Bundesweit werden unterschiedliche Anlagen errichtet. Die größte Anlage mit 79 MWp soll 2024 in Betrieb gehen.
Im deutschen Baurecht werden Agri-PV-Anlagen bis zu einer Größe von 2,5 Hektar bevorzugt behandelt (§ 35 Baugesetzbuch). Sofern sie in einem räumlich funktionalen Zusammenhang zu einem Landwirtschafts-, Forst- oder Gartenbaubetrieb errichtet werden, muss für sie kein Bebauungsplan aufgestellt werden. Bei der Planung müssen jedoch die Rahmenbedingungen der Raumordnung eingehalten sowie Träger öffentlicher Belange oder Bauleitplanverfahren einbezogen werden. Eine Baugenehmigung ist nach wie vor erforderlich. Hinzu kommt die Prüfung des Netzanschlusses und die Anmeldung des Anlagenzertifikates nach VDE-AR-N 4110.
Agri-Photovoltaik: Förderung in Deutschland
Agri-PV-Anlagen auf Acker- und Grünlandflächen sind nach dem EEG förderfähig und können am Marktprämienmodell mit festen Vergütungssätzen teilnehmen.
Anlagen mit einer Nennleistung von weniger als 1 Megawatt oder weniger als 6 Megawatt bei Bürgerenergiegesellschaften müssen nach dem EEG nicht an der Ausschreibung teilnehmen.
Aufgeständerte Anlagen mit mindestens 2,10 Meter lichter Höhe, die an den Ausschreibungen teilnehmen, erhalten einen Bonus von 1,2 Cent pro kWh. Dieser reduziert sich 2024 auf 1,0 Cent pro kWh, 2025 auf 0,7 Cent und ab 2026 auf 0,5 Cent pro kWh.
In Nordrhein-Westfalen gibt es eine eigene Förderung für Agri-Photovoltaikanlagen ab 100 kWp Leistung, die nicht durch das EEG gefördert werden. Diese beträgt maximal 25 Prozent der Ausgaben, höchstens jedoch 1 Million Euro.
Für die Landwirtschaft sind 85 Prozent der Fläche unter einer Agri-PV-Anlage weiterhin förderfähig. Voraussetzung ist, dass die Bearbeitung der Fläche auf den üblichen Wegen weiterhin möglich ist und die PV-Anlage maximal 15 Prozent der Fläche in Anspruch nimmt.
Agri-Photovoltaik – Landwirtschaft und erneuerbare Energie im Einklang
Die kombinierte Nutzung von Landwirtschaft und Photovoltaik auf einer Fläche, die Agri-Photovoltaik, kann dazu beitragen, den Nutzungskonflikt aufzulösen und einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung mit Solarstrom leisten. Ihre Ausgestaltung kann sehr unterschiedliche Formen annehmen, abhängig von der jeweiligen landwirtschaftlichen Nutzung.
Ein Vorteil für die Landwirtschaft ist der Zusatznutzen, der sich aus einem Schutz der Vegetation vor Austrocknung und Erosion ergeben kann. Entscheidend für einen Erfolg der Agri-PV sind die Geschäftsmodelle, die Wirtschaftlichkeit und die Akzeptanz bei Landwirten und Bevölkerung.
FAQ - Wissenswertes zur Agri-Photovoltaik
Was ist Agri Photovoltaik?
Die Kombination von landwirtschaftlicher Nutzung und Stromerzeugung mit Photovoltaik auf einer Fläche wird als Agri-Photovoltaik bezeichnet. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche darf maximal um 15 Prozent reduziert werden.
Wo ist Agri-PV erlaubt?
Generell sind Agri-PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen bis zu einer Fläche von 2,5 Hektar erlaubt, wenn sie in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang zu einem Landwirtschafts-, Forst- oder Gartenbaubetrieb stehen.
Was kostet Agri-Photovoltaik?
Die Kosten für Agri-Photovoltaik sind abhängig von der Aufständerung und der Art der Solarmodule und im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln.
Was für Agri-PV Anlagen gibt es?
Die Art der Agri-PV-Anlagen richtet sich nach der jeweiligen landwirtschaftlichen Nutzung. Es wird unterschieden zwischen einer Aufständerung oberhalb und unterhalb einer Höhe von 2,10 Metern. Alternativ gibt es senkrecht aufgestellte Module mit einer Nutzung zwischen den Modulreihen.
Gibt es Förderungen für Agri-Photovoltaik?
Die Agri-Photovoltaik ist nach dem EEG förderfähig. In der Ausschreibung erhalten aufgeständerte Anlagen ab 2,10 Meter Höhe einen Technologiebonus. In einzelnen Bundesländern wird eine alternative Förderung angeboten.
Von Gastautor Andreas Kuehl