Installationsbetriebe im Mittelpunkt der Energiewende
Die Energiewende stellt eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit dar, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf zahlreiche Wirtschaftssektoren. Insbesondere Installationsbetriebe, die sich mit der Implementierung erneuerbarer Energien beschäftigen, stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Sie übernehmen nicht nur handwerkliche Aufgaben, wie die Installation und Wartung von Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen und anderen erneuerbaren Energiequellen, sondern sind auch maßgeblich an der Netzintegration, dem Energiemanagement und der Sicherstellung der Systemeffizienz beteiligt.
Studien zur Energiewende: Die Herausforderungen des Handwerks
Um einen tieferen Einblick in spezifischen Hürden zu erhalten, haben wir eine umfangreiche Befragung unter Fachbetrieben für erneuerbare Energien durchgeführt. Insgesamt beteiligten sich 174 Proband:innen, darunter 106 Fachkräfte aus dem Mittel- und Hochspannungsbereich. Diese Erhebung bietet uns wertvolle Einblicke in die realen Bedingungen und Probleme, mit denen diese Unternehmen konfrontiert sind, und ermöglicht es uns, ein detailliertes Bild der aktuellen Lage in der Branche zu zeichnen.
Zusätzlich zu unserer eigenen Erhebung haben wir eine Reihe anderer Studien und Statistiken herangezogen, um ein umfassenderes Verständnis der Thematik zu erlangen. Diese ergänzenden Analysen bieten einen breiteren Kontext und tragen dazu bei, die vielschichtigen Aspekte der Energiewende und deren Auswirkungen auf die Installationsbetriebe in einem größeren Rahmen zu beleuchten.
Überblick zu den 5 größten Herausforderungen im Handwerk für erneuerbare Energien
Die Umfrage richtete sich an Handwerksbetriebe, die Photovoltaikanlagen installieren. Gefragt wurde unter anderem nach deren größten Herausforderungen im Arbeitsalltag, wobei Mehrfachnennungen möglich waren.
Abbildung 1: Herausforderungen im Handwerk
1. Fachkräftemangel
In unserer Umfrage unter Fachbetrieben im Bereich der Energiewende wurde der Fachkräftemangel als ein vorherrschendes Problem identifiziert, wobei 45 % aller Teilnehmenden diesen Mangel als eine ihrer Hauptherausforderungen angaben. Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung des Fachkräftemangels und dessen potenziellen Einfluss auf die Fortschritte und Effizienz bei der Implementierung erneuerbarer Energien.
2. Preisschwankungen
Preisschwankungen des Materials sind für 41 % der Fachbetriebe im Bereich der erneuerbaren Energien ein großes Thema. Diese Zahl zeigt deutlich, wie stark schwankende Materialkosten die Branche beeinflussen, indem sie nicht nur die Kalkulation von Projekten erschweren, sondern auch die gesamte Durchführbarkeit und Rentabilität beeinflussen können.
3. Anlagenzertifizierung
In der Umfrage gaben 29 % der Fachbetriebe, die zertifizierungspflichtige Anlagen installieren, an, dass der bürokratische Aufwand für die Anlagenzertifizierung eine ihrer größten Herausforderungen ist. Diese Zahl zeigt, wie aufwendig und belastend die bürokratischen Prozesse besonders bei großen Projekten sein können, was zu Verzögerungen führt. Interessant ist auch, dass 34 % der Befragten, die keine Anlagen dieser Größe installieren, angeben, diese aufgrund des hohen Mehraufwands durch das Anlagenzertifikat zu meiden.
4. Fehlende digitalisierte Prozesse
18 % der Fachbetriebe im Bereich erneuerbarer Energien gaben an, dass das Fehlen digitalisierter Prozesse eine ihrer größten Herausforderungen darstellt. Dieses Ergebnis spiegelt die dringende Notwendigkeit für die Branche wider, in moderne digitale Technologien zu investieren. Die Implementierung digitalisierter Prozesse kann entscheidend dazu beitragen, Effizienz und Reaktionsfähigkeit in einem sich schnell entwickelnden Markt zu verbessern.
5. Vertrieb
Ebenfalls 18 % der Handwerksbetriebe sehen im Vertrieb eine ihrer größten Herausforderungen. Dies unterstreicht, wie entscheidend eine effektive Vertriebsstrategie in der Energiewende ist. Die Fähigkeit, innovative Produkte und Dienstleistungen in einem wettbewerbsintensiven Umfeld erfolgreich zu vermarkten, ist für das Wachstum und den Erfolg der Fachbetriebe im Bereich erneuerbarer Energien von zentraler Bedeutung.
Deutschlands Ausbauziele sind in Gefahr - warum ist das so?
Die Herausforderungen, mit denen Fachbetriebe in Deutschland im Zuge der Energiewende konfrontiert sind, werden durch jüngste Umfragen weiter beleuchtet. Laut der BSW Herbstumfrage 2023, die im November veröffentlicht wurde,, stehen die Fachbetriebe der Erreichung der EEG-Ausbauziele mit einer Mischung aus Skepsis und Optimismus gegenüber. Zum Beispiel glauben nur 32 % (7 % “Ja”; 25 % “Eher Ja”) der Befragten, dass das Ziel von 215 GWp bis 2030 erreicht wird, während ganze 68 % (50 % “Eher Nein”; 18 % “Nein”) dies für unwahrscheinlich halten. Diese Zahlen verdeutlichen die Unsicherheit in der Branche über die Machbarkeit der aktuellen Ausbauziele.
Als Gründe stehen an erster Stelle bürokratische Hemmnisse (80 % der Nennungen), gefolgt von Fachkräftemangel (77 %) und Verzögerungen beim Netzanschluss (73 %). Diese Faktoren zeigen deutlich, dass neben technischen und wirtschaftlichen Aspekten auch politische und administrative Entscheidungen eine wesentliche Rolle spielen.
Lange Wartezeiten: Fachbetriebe stehen bis zu 56 Monate in der Schlange
Bezüglich der bürokratischen Hemmnisse zeigt eine Umfrage des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) zusätzlich, dass die Dauer für die Genehmigung von Netzanschlussbegehren aufgrund bürokratischer Prozesse durchschnittlich 8 Monate beträgt, in einigen Fällen sogar bis zu 56 Monate.
Beim Thema Netzausbau stehen hier sogar noch deutlich höhere Zahlen im Raum. Aus der Studie Klimapfade 2.0 der Boston Consulting Group, des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V. (BDI) und der Prognos AG geht hervor, dass Genehmigungsverfahren zum Netzausbau bis zu 15 Jahre in Anspruch nehmen.
Die Zeit für Wandel ist jetzt: Reformen in der Energiebranche sind unumgänglich
Die Bedeutung von Änderungen in den aktuellen Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien wird von Nike Marquardt, der Pressereferentin des BSW, hervorgehoben: "Wenn die politischen Entscheidungsträger die im Positionspapier genannten Maßnahmen ergreifen, können wir die Klimaziele erreichen. Andernfalls nicht."
Dies korrespondiert mit den Ergebnissen der dena Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität von 2021, die betont, dass für das Erreichen der notwendigen Ausbaurate der erneuerbaren Stromerzeugung zur Erreichung der Klimaziele eine Beschleunigung und Vereinfachung der Genehmigungsverfahren sowie eine verbesserte Flächenbereitstellung unerlässlich sind.
Digitalisierung als Grundlage der Problemlösung im Energiebereich?
Wie aus unserer Umfrage hervorgeht, geben 18 % der Fachbetriebe fehlende digitalisierte Prozesse als eines ihrer Hauptprobleme an. In diesem Kontext wird der Begriff der Digitalisierung oft in der bestehenden Literatur hervorgehoben, insbesondere wenn es um die Beschleunigung von Prozessen im Ausbau erneuerbarer Energien geht.
Sowohl der BSW als auch wir von certflow nennen in unserer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des Solarpaket 1 die Digitalisierung aller Prozesse rund um den Netzanschluss als unabdingbar. Auch die Studie Klimapfade 2.0 stellt fest, dass Stromverteilnetze, Verbraucher und Einspeiser erheblich in Digitalisierung und Flexibilisierung investieren müssen, um die Klimaziele erreichen zu können.
Unser Ansatz bei certflow ist es, genau dies für die Anlagenzertifizierung zu tun und weitere Prozesse für Handwerksbetriebe zu digitalisieren, um die Effizienz zu steigern und die Einhaltung der Klimaziele zu unterstützen.
Vereinfachungen sind geplant: Weniger Bürokratie, mehr Effizienz
Und tatsächlich geht es mit der Digitalisierung in die richtige Richtung. So wird beispielsweise aktuell im Rahmen des Solarpaket 1, das frühestens im März in Deutschland verabschiedet werden soll, eine zentrale Plattform für Einheitenzertifikate netzkonformer Erzeugungseinheiten erstellt, um so den Zugang zu diesen Daten deutlich zu erleichtern.
Auch in Bezug auf die Grenzwerte, bei denen ein Anlagenzertifikat benötigt wird, gibt es positive Entwicklungen. Das Solarpaket 1 enthält wichtige Änderungen, die darauf abzielen, den Ausbau von Photovoltaikanlagen zu erleichtern und bürokratische Hindernisse zu reduzieren. Eine der wesentlichen Änderungen ist, dass ein Anlagenzertifikat zukünftig erst ab einer Einspeiseleistung von 270 kW oder einer installierten Leistung von über 500 kW erforderlich sein wird. Für kleinere Anlagen genügt ein einfacherer Nachweis durch Einheitenzertifikate. Diese Änderung dürfte die bürokratischen Belastungen für viele Fachbetriebe verringern und die Installation kleinerer Anlagen vereinfachen.
Zusätzlich werden im Solarpaket 1 verschiedene Maßnahmen umgesetzt, die den Netzanschluss von Solaranlagen erleichtern, die Nutzung von Mieterstrom fördern und die Direktvermarktung von PV-Anlagen vereinfachen. Insbesondere für Anlagen mit hoher Eigenverbrauchsquote wird dies Vorteile bringen und könnte dazu beitragen, dass mehr Betriebe sich in diesem Bereich engagieren.
Positive Entwicklungen und die Hoffnung auf Klimaneutralität
Die aktuell geplanten Änderungen im Zusammenhang mit der Studie Klimaneutrales Deutschland 2045 vom Juni 2021 im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende machen Hoffnung auf das Erreichen der Klimaneutralität bis 2045 in Deutschland. Die Erreichung der Klimaneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 stellt laut der Studie eine durchaus machbare Zielsetzung dar. Dies würde bedeuten, dass im Vergleich zum ursprünglich festgelegten Zieljahr 2050, fast eine Milliarde Tonnen CO₂ weniger in die Atmosphäre gelangen würden. Allerdings müssten hierfür strukturelle Änderungen schneller umgesetzt werden, als geplant.
Das Solarpaket markiert einen wichtigen Schritt für den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland. Um das Ausbautempo zu halten oder sogar zu steigern, braucht es allerdings innovative Lösungen und digitalisierte Prozesse.
Insgesamt lässt sich sagen, dass durch solche legislativen Änderungen und Vereinfachungen ein positiver Trend hin zu einer weniger bürokratischen und effizienteren Umsetzung der Energiewende erkennbar ist. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich diese Änderungen in der Praxis auswirken und ob sie ausreichen, um den aktuellen Herausforderungen effektiv zu begegnen.